Die Elektromobilität steht vor einer tektonischen Verschiebung der globalen Lieferketten. Europas Automobilindustrie steht angesichts ambitionierter Klimaziele und regulatorischer Vorgaben massiv unter Druck, ihre Bezugsquellen für Batteriezellen und kritische Vorprodukte zu diversifizieren. Inmitten dieser Entwicklung richtet sich der Fokus nach Südafrika, das von Branchenführern wie BMW als strategischer Partner für eine alternative Wertschöpfungskette positioniert werden soll. Ziel der aktuellen Bemühungen ist es, die bestehende Abhängigkeit von China, das weiterhin den Weltmarkt für Batteriezellen dominiert, substanziell zu verringern.
Chinas Dominanz im globalen Batteriegeschäft und ihre Folgen
Die unlängst von Peter van Binsbergen, CEO von BMW Südafrika, formulierte Forderung nach einer engen Kooperation zwischen Südafrika und Europa unterstreicht einen zentralen Engpass der internationalen Elektromobilitätsbranche: Over 70 Prozent der weltweiten Batteriezellfertigung wird aktuell von chinesischen Marktteilnehmern abgedeckt. Dies verleiht der Volksrepublik nicht nur beachtlichen Handlungsspielraum bei Preisgestaltung und Technologiestandards, sondern erschwert europäischen Herstellern zunehmend die Einhaltung von Herkunfts- und Wertschöpfungsregeln, insbesondere mit Blick auf Exportbestimmungen der Europäischen Union und des Vereinigten Königreichs.
Diese Abhängigkeit birgt strukturelle Risiken für europäische und globale OEMs. Betrachtet man die wachsende geopolitische Unsicherheit, die jüngsten Diskussionen um Exportbeschränkungen für Seltene Erden sowie weitreichende Lieferengpässe – etwa während der Pandemie –, wird klar: Die Diversifizierung von Batterie-Lieferketten ist längst zur strategischen Notwendigkeit geworden.
Südafrika als strategischer Partner: Potenzial und Herausforderungen
Südafrika beansprucht mit einem Produktionsanteil von 51 Prozent die Vormachtstellung in der afrikanischen Automobilherstellung. Die südafrikanische Regierung signalisiert mit einer Roadmap und gezielten fiskalischen Anreizen, etwa einem 150-prozentigen Steuerabzug auf Investitionen in Elektro- und Wasserstofffahrzeuge, klaren Willen zur Transformation des Sektors. Nicht zuletzt wird dies durch den Einstieg internationaler Player unterstrichen: BMW investiert rund 4,2 Milliarden Rand in den Ausbau des Werks Rosslyn; künftig soll die Plug-in-Hybrid-Version des BMW X3 exklusiv für den Weltmarkt von dort exportiert werden.
Doch besteht zwischen Anspruch und tatsächlichem Fortschritt weiterhin eine beträchtliche Lücke. Vertreter etablierter Hersteller wie Ford fordern eine koordinierte, nationale Strategie, da die Implementierung der südafrikanischen NEV-Roadmap schleppend verläuft. Mit derzeit lediglich rund 4.000 Elektrofahrzeugen auf südafrikanischen Straßen, bleibt das Land im internationalen Vergleich wie etwa mit Äthiopien deutlich im Hintertreffen. Die bevorstehenden Fristen zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen—2035 in Großbritannien und der EU—verstärken die Notwendigkeit, rasch handlungsfähige Strukturen und Kapazitäten aufzubauen.
Neue Wertschöpfungsketten: Chance zur Resilienz
- Ressourcenbasis: Südafrika verfügt über umfangreiche Vorkommen kritischer Rohstoffe, etwa Platin, Mangan und Nickel—zentral für die Zell- und Komponentenfertigung.
- Internationale Partnerschaften: Kollaborationen mit Institutionen wie der Weltbank und europäischen Marktteilnehmern sollen Wissens- und Technologietransfer beschleunigen.
- Infrastrukturentwicklung: BMW, zusammen mit Sasol und Anglo American Platinum, investiert in die Wasserstoffmobilität und schafft damit die Grundlage für alternative Antriebstechnologien.
Diese Faktoren verweisen auf ein erhebliches Wertschöpfungspotenzial, das über die reine Zellfertigung hinausreicht und Südafrika als zukünftigen Hub für nachhaltige Mobilitätslösungen positioniert.
Marktperspektiven für chinesische Batteriehersteller
Die strategischen Neuausrichtungen in Europa und Afrika sind als mittel- bis langfristiger Gegenpol zur chinesischen Dominanz zu verstehen. Dennoch bleibt kurz- und mittelfristig Chinas Rolle als technologischer Taktgeber unangefochten. Die Skaleneffekte, Innovationsführerschaft und aggressive Investitionspolitik chinesischer Unternehmen—beobachtbar sowohl auf dem Heimatmarkt als auch durch Joint Ventures in Übersee—stellen nach wie vor eine massive Eintrittsbarriere für alternative Lieferquellen dar.
Für chinesische Unternehmen bietet sich jedoch die Chance, frühe Partnerschaften mit neuen Produktionsstandorten in Afrika einzugehen und so von Förderprogrammen und günstigen Markteintrittsbedingungen zu profitieren. Andererseits erhöht die wachsende Regulierungsdichte in Exportmärkten, etwa mit Blick auf Lieferketten-Nachhaltigkeit und CO₂-Footprints, den Transformationsdruck auch auf ostasiatische Player.
Südafrikas Weg von Rohstofflieferant zur fertigungstechnischen Drehscheibe
Die Forcierung einer industriellen Wertschöpfung vor Ort, also die Verlagerung von Rohstoff- zu Zell- und Modulproduktion, adressiert verschiedene Herausforderungen: Zum einen beschleunigt sie den Wissensaufbau und die wirtschaftliche Entwicklung in Südafrika selbst, zum anderen reduziert sie logistische Abhängigkeiten und politische Risiken. Die Zusammenarbeit mit europäischen OEMs und internationalen Institutionen dürfte dabei die Adaption von High-Tech-Produktionsstandards und Umweltauflagen signifikant beschleunigen.
Zukunftsaussichten und die Bedeutung gezielter Industriepolitik
Allein die Implementierung fiskalischer Anreize reicht nicht aus, um Südafrika auf Augenhöhe mit den großen Batteriezentren Ostasiens zu führen. Die Transformation erfordert:
- eine langfristige, industrieübergreifende Strategie, die von Regierung, Industrie und Forschung stringent umgesetzt wird,
- kontinuierliche Investitionen in Aus- und Weiterbildung zur Förderung lokaler Fachkräfte,
- eine konsequente Öffnung für internationale Expertise und Kapital.
Die Ankündigungen und Investitionen führender Unternehmen wie BMW setzen ein klares Zeichen: Südafrika kann unter den richtigen Rahmenbedingungen zu einem resilienten Baustein der globalen EV-Lieferkette avancieren – und so einen Beitrag zur weltweiten Dekarbonisierung leisten, ohne in technologische oder geopolitische Abhängigkeiten zu geraten.
Quellen und weiterführende Literatur:
- BMW South Africa CEO calls for joint EV battery strategy with Europe (Reuters)
- South Africa secures China, India investments to boost local auto manufacturing (Reuters)
- BMW X3 plug-in hybrid vehicle investment at Rosslyn (Engineering News)
- BMW and partners: plans for fuel cell infrastructure in South Africa (Automotive News Europe)
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