Die Kontrolle strategisch wichtiger Rohstoffe rückt im globalen Wettbewerb um Elektromobilität zunehmend in den Mittelpunkt. Insbesondere Kobalt, unverzichtbar für Lithium-Ionen-Batterien, steht im Zentrum geopolitischer und industrieller Dynamiken. Jüngste regulatorische Entscheidungen der Demokratischen Republik Kongo (DRK) zur Reform des Kobaltexports werfen ein Schlaglicht auf die Abhängigkeit der internationalen Elektrofahrzeugindustrie – mit besonderer Brisanz für den chinesischen Markt.
Geopolitischer Hintergrund: Kobalt aus der DR Kongo als Schlüsselressource
Die DR Kongo produziert mehr als 70 % des weltweiten Kobalts und besetzt damit eine herausragende Stellung in der globalen Lieferkette für Batterierohstoffe. Ohne die Erze des zentralafrikanischen Landes sind Produktion und Ausbau von Akkumulatoren in der derzeitigen Form kaum vorstellbar. Der jüngste Preissturz für Kobalt auf ein Neunjahrestief von 10 US-Dollar pro Pfund Anfang 2025 ließ die Regierung handeln: Sie verfügte ein rigoroses Exportverbot, um das Überangebot zu begrenzen und eine weitere Erosion der Rohstoffpreise zu stoppen.
Die neue Kobalt-Strategie: Quoten statt Exportverbot
Nach mehreren Monaten Marktisolation hat die Regierung eine Kehrtwende angekündigt. Ab dem 15. Oktober 2025 wird das Exportverbot aufgehoben und durch ein quotenbasiertes Kontrollsystem ersetzt. Hierbei wird die maximale Exportmenge für den Rest des Jahres 2025 auf 18.125 Tonnen limitiert. In den beiden Folgejahren sind Obergrenzen von jeweils 96.600 Tonnen vorgesehen – eine deutliche Verschärfung gegenüber früheren Jahren, doch gezielt bemessen, um das Angebot dauerhaft zu steuern.
Zentral ist dabei der Anspruch der DRK, nicht nur den Preisverfall zu stoppen, sondern die globale Marktposition zu festigen und sich einen größeren Anteil an der Wertschöpfungskette des Batteriemarkts zu sichern. Die Quoten können behördlich angepasst werden und schaffen damit Spielraum, um auf Marktschwankungen oder infrastrukturelle Fortschritte flexibel zu reagieren. Ein zusätzlicher Stabilitätsmechanismus besteht darin, dass unverkaufte Kobaltvorräte von der nationalen Regulierungsbehörde aufgekauft werden können.
Reaktionen der Marktakteure: Ein geteiltes Bild
- Glencore, als weltweit zweitgrößter Kobaltproduzent mit maßgeblicher Präsenz in der DR Kongo, unterstützt das neue Quotensystem. Die Quotenregelung erlaubt es, Verkäufe besser zu planen und schafft Aussicht auf ein planbares Preisniveau.
- Im Gegensatz dazu steht der Widerstand der chinesischen CMOC Group, die als global größter Kobaltproduzent agiert und einen erheblichen Teil der Rohstoffe für Chinas Batterieindustrie bereitstellt. Die Kritik bezieht sich auf die potenzielle Angebotsverknappung und Unsicherheiten für chinesische Veredlungsbetriebe.
Implikationen für Chinas EV-Industrie: Herausforderung und Handlungsdruck
Der chinesische Elektrofahrzeugmarkt ist weltweit führend. China dominiert die Batteriefertigung und importiert laut Schätzungen jährlich rund vier Fünftel seines Kobalts aus der DR Kongo. Die neuen Exportquoten stellen daher nicht nur kurzfristige Herausforderungen an die Versorgungssicherheit, sondern könnten mittelfristig Innovationsdruck im Materialmix auslösen. Bereits seit Jahren streben chinesische Unternehmen nach kooperativen Minenbeteiligungen, nachhaltigen Lieferketten und alternativen Zellchemien (z. B. LFP – Lithium-Eisenphosphat), die ohne oder mit wenig Kobalt auskommen.
Das Quotenmodell der DRK wird als geopolitisches Signal verstanden, dass die Ressourcenhoheit bewusst als leverage genutzt wird. Preisstabilität und Rückverfolgbarkeit aus legalen, regulierten Quellen – insbesondere aus dem oft kritisierten handwerklichen Bergbausektor – sollen verbessert werden. In der Praxis bedeutet dies für chinesische Hersteller, ihre Lagerbestände zu überprüfen, strategische Partnerschaften in den Ursprungsländern weiter auszubauen und den Fokus auf Recycling sowie Diversifizierung zu erhöhen.
Marktdynamik und Volatilität: Risiken für Innovation und Expansion
Die schnellen regulatorischen Wechsel in der DR Kongo sind Ausdruck eines stärker interventionistischen Ansatzes im Rohstoffmanagement. Die kurzfristige Erholung der Kobaltpreise auf aktuell rund 16 US-Dollar pro Pfund bestätigt die Wirksamkeit staatlicher Eingriffe, führt jedoch zu anhaltender Unsicherheit für downstream-orientierte Industrien. Ein drohender Angebotsengpass könnte nicht nur die Entwicklung neuer Batterieplattformen befeuern, sondern auch Investitionen in Ersatztechnologien beschleunigen.
Aus Sicht internationaler Marktbeobachter wird sich die Wettbewerbslandschaft bei EV-Batterien weiter fragmentieren. Bereits heute beginnt ein globaler Wettlauf um sichere Lieferketten, Recycling-Kapazitäten und Kontrolle kritischer Vorprodukte. Die DRK nutzt dieses Momentum, um einen größeren Teil der Wertschöpfung national zu isolieren und nachhaltige Preis- sowie Qualitätsstandards zu forcieren.
Sicherheit und soziale Verantwortung als zusätzliche Treiber
- Die DRK verweist im Zuge der Quotenregelung verstärkt auf die Notwendigkeit, Kobalt aus legalen Quellen rückverfolgbar zu machen. Dies soll den Einfluss illegaler, von Rebellengruppen kontrollierter Minenbetriebe reduzieren und Gewalt im Osten des Landes eindämmen.
- Internationale Hersteller – insbesondere mit Fokus auf ESG-Kriterien – sind verstärkt gefordert, Nachweise über Herkunft und Verarbeitungsketten ihrer Rohstoffe zu liefern.
Ausblick: Strategische Antworten der chinesischen EV-Industrie
Angesichts wachsender Unsicherheiten um Kobaltimporte stehen chinesische Automobil- und Batteriehersteller vor der Entscheidung, ihre Lieferquellen weiter zu diversifizieren, Recyclingstrategien auszuweiten und auf weniger kobaltintensive Zellchemien zu setzen. Darüber hinaus dürften eigene Investitionen in Rohstoffprojekte und strategische Allianzen mit Hauptproduzenten zunehmen, um direkte Versorgungsketten außerhalb der DRK zu etablieren.
Übergeordnet manifestiert sich am Beispiel der neuen Kobaltpolitik der DR Kongo ein weltweiter Trend: Rohstoffsicherheit avanciert zur strategischen Voraussetzung für den Markterfolg im Elektrofahrzeugsektor. Wie nachhaltig, planungssicher und sozial verträglich sich die Versorgung künftig gestalten lässt, bleibt eines der zentralen Themen für die nächsten Jahre.
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