Die Weltmärkte für elektrische Fahrzeuge werden zunehmend von geopolitischen Weichenstellungen geprägt – allen voran von chinesischen Exportbeschränkungen für kritische Rohstoffe. Der Fokus richtet sich auf essentielle Elemente wie Seltene Erden, Graphit, Gallium, Germanium und Antimon, die für die Wertschöpfungsketten der Elektromobilität unentbehrlich sind. Mit gezielten Restriktionen verschärft China die Dynamik auf den Märkten, beeinflusst die globale Produktion von Elektrofahrzeugen und zwingt Industrie wie Politik, weitreichende Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Chinesische Exportbeschränkungen: Schlaglichter auf zentrale Rohstoffe
Seltene Erden im Zentrum der Antriebstechnologie
Ab dem 4. April 2025 unterliegt der Export von sieben Seltenerdmetallen aus China, darunter Dysprosium und Terbium, strengeren Restriktionen. Gerade diese Metalle sind essenziell für die Fertigung leistungsstarker Permanentmagneten, einer Schlüsselkomponente moderner Elektromotoren. Mit etwa 90 Prozent Marktanteil bei der Verarbeitung seltener Erden dominiert China nicht nur den Zugang, sondern auch die Preisgestaltung im internationalen Wettbewerb. Bereits jetzt drohen Unternehmen der Zulieferindustrie laut Branchenverbänden mit Produktionskürzungen – ein klares Indiz für die Systemrelevanz dieser Materialien.
Graphit: Batterieherzstück unter Druck
Seit dem 1. Dezember 2023 stehen eine Vielzahl von Graphitprodukten unter chinesischen Exportkontrollen. Graphit ist Integraler Bestandteil von Lithium-Ionen-Batterien, insbesondere von deren Anodenmaterial. Trotz wachsender globaler Nachfrage nach E-Mobilität stammt rund zwei Drittel des Graphitangebots aus China. Die Exportrestriktionen treffen nicht nur Batteriehersteller, sondern insbesondere auch jene europäischen Automobilkonzerne, die auf lokal seltene Alternativen verzichten müssen.
Gallium und Germanium: Unverzichtbar in EV-Elektronik
Der Export von Gallium und Germanium unterliegt in China bereits seit Juli 2023 Einschränkungen. Beide Metalle sind für Leistungshalbleiter, Sensorik und Kommunikationselektronik in Elektroautos von zentraler Bedeutung. Da China bei Gallium bis zu 98 Prozent der Weltproduktion kontrolliert, geraten insbesondere die Entwickler von Leistungselektronik zunehmend unter Zugzwang alternativer Beschaffungsstrategien.
Antimon: Strategisches Metall für Batterien und mehr
Mit Wirkung ab dem 15. September 2024 wurde in China auch der Export von Antimon beschränkt. Das Metall, international häufig unterschätzt, findet seinen Einsatz u. a. als Flammschutz, in Batterien und elektronischen Steuergeräten von Elektroautos. Europäische Hersteller sind beunruhigt – der überwiegende Teil der globalen Antimonförderung und -veredelung liegt in chinesischer Hand.
Globale Auswirkungen auf Produktion und Märkte
Lieferengpässe und Produktionsverzögerungen
Die unmittelbaren Folgen der Exportrestriktionen zeigen sich in verstärkten Lieferengpässen. Weltweit beklagen Zulieferer und Hersteller der Automobilindustrie spürbare Versorgungsprobleme. Nach Angaben des europäischen Automobilzuliefererverbandes CLEPA müssen bereits erste Produktionslinien gestoppt werden. Besonders die starke Konzentration von Wertschöpfungsstufen innerhalb Chinas sorgt für Verwerfungen in der gesamten Lieferkette.
Preissteigerungen und Kostendruck in der EV-Produktion
Mit dem Mangel an zentralen Rohstoffen steigen die Einkaufspreise – sowohl für die Industrie als auch perspektivisch für Endverbraucher. Die Spotmarktpreise für Seltenerdmetalle und Graphit haben seit Ankündigung der Restriktionen merklich angezogen. Die höheren Kosten je Fahrzeug drohen die ohnehin schmalen Margen speziell westlicher OEMs zusätzlich zu belasten. Eine Weitergabe der Preissteigerungen an Kunden wird zunehmend wahrscheinlich, was die Wettbewerbsfähigkeit der Elektromobilität im internationalen Vergleich bremst.
Industrielle und politische Reaktionen: Gegenmaßnahmen unter Hochdruck
Strategien der Diversifizierung und Substitution
Eine der zentralen Reaktionen der Automobilindustrie besteht in der Diversifizierung der Lieferketten. OEMs evaluieren alternative Bezugsquellen für kritische Mineralien außerhalb Chinas. Parallel laufen Entwicklungen zur Substitution seltener Erden in Elektromotoren sowie Ansätze zur Reduktion des Materialeinsatzes. Einige Hersteller setzen verstärkt auf Synchronmotoren ohne Permanentmagnete, während Verhandlungen mit Förderunternehmen aus Australien, Kanada und Afrika intensiviert werden.
Politische Initiativen: Der „Critical Raw Materials Act“ in Europa
Auch die Politik forciert die strategische Rohstoffsicherung. Die Europäische Union adressiert mit dem „Critical Raw Materials Act“ erstmals verbindliche Ziele: Bis zum Jahr 2030 sollen mindestens 10 Prozent der benötigten Rohstoffe in der EU gewonnen, 40 Prozent lokal verarbeitet und 25 Prozent aus Recycling gewonnen werden. Ziel ist es, die Abhängigkeit von einzelnen Lieferländern, allen voran China, deutlich zu reduzieren. Die dafür nötigen Investitionen in Exploration, Verarbeitung und Recyclingstrukturen sind jedoch enorm – und bergen zeitliche Verzögerungen bis zur realen Wirkung.
Marktsituation und Ausblick: Kräfteverschiebungen im internationalen Wettbewerb
Chinas Exportbeschränkungen für Schlüsselrohstoffe markieren einen Wendepunkt für die globale Elektromobilitätsindustrie. Die zunehmende Ressourcenkonkurrenz verschärft die Handelskonflikte und zwingt Akteure zu grundlegenden Weichenstellungen: Effizientere Nutzung, technische Innovation und geopolitische Diversifizierung der Beschaffung werden über die künftige Stellung auf dem Weltmarkt entscheiden. Kurz- bis mittelfristig bleibt der Druck auf Kosten, Produktion und Preise hoch – insbesondere für Regionen, die auf einseitige Rohstoffflüsse angewiesen sind.