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Xiaomi ruft über 115.000 Elektrofahrzeuge in China zurück: Sicherheitsrisiken bei Level-2 Assistenzsystemen


Chinas Markt für Elektrofahrzeuge steht vor einer neuen Bewährungsprobe: Xiaomi, einer der ambitionierten Neueinsteiger im Segment intelligenter Elektromobilität, ruft aktuell mehr als 115.000 SU7-Fahrzeuge wegen sicherheitsrelevanter Softwareanpassungen zurück in die Werkstätten – genauer gesagt: auf die Datenautobahn. Über ein umfassendes OTA-Update (Over-the-Air) sollen Standardmodelle des SU7, produziert zwischen Februar 2024 und August 2025, ein verbessertes Softwarepaket mit überarbeiteten Assistenzsystemen erhalten. Die Hintergründe und Implikationen dieser Maßnahme werfen ein Schlaglicht auf die Dynamik und Herausforderungen des chinesischen Marktes für automatisierte Fahrzeuge.

Problemzone Highway-Pilot: Sicherheit im Fokus

Im Zentrum des aktuellen Updates steht das sogenannte Level-2-Highway-Pilot-System – jenes teilautomatisierte Fahrassistenzsystem, das Xiaomis SU7-Nutzern auf Schnellstraßen hohe Entlastung verspricht, unter der Voraussetzung permanenter Fahreraufmerksamkeit. Laut Angaben war das System in Ausnahmesituationen nicht in der Lage, den Fahrer mit ausreichend deutlichen Warnungen oder effektiver Systemleistung zu sensibilisieren. Daraus resultierte insbesondere bei unzureichender Reaktionsbereitschaft des Menschen hinter dem Steuer ein erhöhtes Unfallrisiko.

Diese Schwäche wurde tragisch durch einen Vorfall im März 2025 bestätigt, bei dem ein SU7 nach der Deaktivierung des assistierten Fahrmodus frontal gegen einen Betonpfeiler prallte und in Brand geriet. Der Unfall löste eine landesweite Diskussion um die Reife, Zuverlässigkeit und Sicherheit teilautomatisierter Systeme aus und gab den Anstoß zu neuen regulatorischen Initiativen auf Regierungsebene.

Neue Standards, regulatorischer Druck und Branchenwachstum

Vor dem Hintergrund des rasant expandierenden EV-Marktes und wachsender Ambitionen im Bereich intelligenter Mobilität steht China aktuell vor einem Paradigmenwechsel: Zum einen beschleunigen die Zulassungszahlen und Innovationszyklen den Druck auf Hersteller, neue Features frühzeitig in Serie zu bringen. Zum anderen erfordern die Erfahrungen der letzten Jahre – etwa mit den Anfängen von Navigations- und Parkassistenzsystemen – einen deutlichen Fokus auf Systemrobustheit und den Schutz des Endkunden.

Vor wenigen Tagen haben die Behörden nun einen Entwurf von Sicherheitsstandards vorgestellt, die ab 2027 für alle Fahrzeuge mit Level-2-Automatisierung verbindlich werden sollen. Diese Regularien verlangen explizit, dass Fahrzeuge nicht nur die Fahrerpräsenz, sondern auch deren Aufmerksamkeitstechnisch überwachen und sich deaktivieren, wenn Warnsignale wiederholt ignoriert werden. Die SU7-Rückrufaktion kann somit auch als proaktive Vorbereitung auf diese regulatorische Entwicklung interpretiert werden.

Xiaomi: Strategische Weichenstellung in einer kritischen Wachstumsphase

  • Der aktuelle Rückruf ist bereits die zweite große Software-Aktualisierung im Rahmen der chinesischen Rückruf-Vorschriften. Bereits im Januar 2025 erfolgte ein Update für ca. 31.000 Fahrzeuge, dessen Auslöser Probleme beim intelligenten Parkassistenzsystem waren.
  • Die in China besonders niedrigen Reaktionszeiten zwischen Meldung von Mängeln, Ankündigung von Rückrufaktionen und Implementierung von Korrekturen gelten branchenintern als bemerkenswert.
  • Der massive Einsatz von OTA-Updates unterstreicht den hohen Digitalisierungsgrad sowohl bei Produkten als auch in der Nachsorge chinesischer Premiumhersteller.

Insbesondere in technologiegetriebenen Märkten wie China ist das Zusammenspiel von Geschwindigkeit, Agilität und Softwarekompetenz zugleich Stärke und potenzielle Schwachstelle. Während Innovationsführerschaft entscheidende Wettbewerbsvorteile verschafft, steigen mit der Systemkomplexität auch die Anforderungen an Qualitätssicherung und Sicherheit.

Marktrelevanz und internationale Signalwirkung

Mit über 115.000 betroffenen Fahrzeugen unterstreicht Xiaomi seinen rasanten Markteintritt in den chinesischen EV-Markt. Das Unternehmen hebt hervor, dass die Sicherheit der Kunden höchste Priorität genieße und betont die enge Zusammenarbeit mit nationalen Sicherheits- und Marktaufsichtsbehörden. Das aktuelle Eingreifen erfolgt damit nicht nur zur kurzfristigen Gefahrenabwehr, sondern signalisiert die Bereitschaft, systemisch Verantwortung zu übernehmen und internationalen Standards auch in großem Volumen gerecht zu werden.

Chinas Behörden treiben parallel den Aufbau strikter Richtlinien für autonome und teilautonome Systeme voran. Die Branche muss nun technologische Führerschaft mit verlässlicher Funktionssicherheit verbinden – ein Anspruch, der den Kurs chinesischer Autobauer und ihrer Softwarelieferanten auf Jahre prägen wird. Für Anwender und internationale Beobachter ist die Häufung solcher OTA-basierten Korrekturen ein Paradebeispiel für die neue Ära der digitalen Fahrzeugentwicklung, deren Tempo und Transparenz richtungsweisend für globale Märkte werden könnten.

Quellen


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