Die Elektromobilität wächst weltweit in beispiellosem Tempo – insbesondere in China, dem größten Absatzmarkt für Elektrofahrzeuge (EVs). Doch während Absatzrekorde und Innovationsdynamik im Vordergrund stehen, rückt eine strategisch entscheidende Frage zunehmend ins Zentrum der Debatte: Wie kann der Lebenszyklus der verbauten Lithium-Ionen-Batterien nachhaltiger gestaltet werden? Die Zweitnutzung gebrauchter EV-Batterien kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Europas Vorreiter, das deutsche Unternehmen Voltfang, demonstriert beispielhaft, wie aus scheinbar ausgedienten Akkus neue Wertschöpfung entsteht – eine Entwicklung, von der auch Chinas Batterie- und Recyclingindustrie wichtige Impulse empfangen dürfte.
Voltfang: Industrielle Pionierleistung bei der Batterie-Zweitnutzung
Mit seinem Hauptsitz in Aachen und rund 100 Mitarbeitenden hat Voltfang die industrielle Umrüstung gebrauchter Lithium-Ionen-Akkus zur Kernkompetenz erhoben. Durch die Integration ehemals fahrzeuggebundener Batteriemodule in stationäre Speichersysteme trägt das Unternehmen entscheidend dazu bei, erneuerbare Energiequellen dezentral zu nutzen – ein zentrales Element der europäischen Energiewende.
Die Voltfang-Speicher, in kühlschrankgroßen Einheiten konfektioniert, ermöglichen es privaten Haushalten und gewerblichen Kunden, überschüssige Wind- und Sonnenenergie zwischenzuspeichern und bedarfsgerecht zu nutzen. Die Technologie reduziert Lastspitzen im Stromnetz, steigert die Eigenverbrauchsquote erneuerbarer Energien und leistet einen Beitrag zur europäischen Energiesouveränität. Die jüngst eröffnete industrietaugliche Produktionsstätte markiert einen Meilenstein für die Skalierung dieser Lösung.
Weitere Initiativen für Second-Life-Batterien in Deutschland
Deutschland positioniert sich als Innovationsstandort für Second-Life-Batteriespeicher. Verschiedene Akteure arbeiten an unterschiedlich skalierten Projekten:
- Audi und EnBW: Im baden-württembergischen Heilbronn wurde Ende 2022 ein stationärer Speicher aus zwölf Hochvolt-Batteriesystemen von Audi-Entwicklungsfahrzeugen installiert. Mit einem Megawatt Leistung deckt die Anlage den kurzfristigen Strombedarf von ca. 3.000 Haushalten – ein Beleg für das Potenzial von EV-Batterien jenseits ihrer Primärnutzung im Fahrzeug.
- BMW, Bosch und Vattenfall: Bereits 2016 entstand im Hamburger Hafen einer der damals größten Speicher Europas. Rund 2.600 Batteriemodule aus mehr als 100 BMW-E-Fahrzeugen wurden zu einem 2-Megawatt-Speicher für die Netzstabilisierung kombiniert.
- Deutsche Bahn: Seit Sommer 2023 arbeitet die Bahn-Tochtergesellschaft in Serie an Stromspeicherlösungen auf Basis gebrauchter EV-Batterien von Kia. Die Anlagen sind explizit für Unternehmen mit hohem Energiebedarf und klarer Ausrichtung auf erneuerbare Quellen konzipiert.
Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Nachfrage nach Speicherlösungen auf Second-Life-Basis branchenübergreifend wächst. Die systemische Kopplung von Mobilität und Stromwirtschaft wird damit zunehmend Realität.
Regulatorik: EU schafft klare Vorgaben, Marktakteure müssen reagieren
Die mit Juli 2023 in Kraft getretene EU-Verordnung (EU) 2023/1542 verschärft die Anforderungen an den gesamten Lebenszyklus von Batterien. Mit Mindestquoten für recycelte Materialien, transparenten Angaben via QR-Code und Sammelzielen für Altbatterien zwingt der Gesetzgeber Hersteller, Verwerter und Nutzer zur Umsetzung zirkulärer Modelle. Die zentrale Zielsetzung: Nachhaltigkeit soll integraler Bestandteil jedes Batterieprodukts werden – von der Rohstoffgewinnung über die Fahrzeugverwendung bis zu Zweitnutzung und Recycling.
Diese Regulierung erhöht den Innovationsdruck auf die europäischen wie internationalen Märkte erheblich. Unternehmen, die heute skalierbare Zweitnutzungskonzepte vorweisen können, positionieren sich konkurrenzfähig für die Zukunft. Die Einhaltung von Transparenz- und Kreislaufvorgaben wird in naher Zukunft auch Einfallstore in globale Märkte wie China öffnen oder verschließen.
Marktherausforderungen: Technologische und wirtschaftliche Hürden bleiben
Trotz funktionaler Erfolge und öffentlicher Aufmerksamkeit stehen Initiativen rund um Second-Life-Batterien weiterhin vor markanten Herausforderungen. Entscheidende Engpässe bestehen in der wirtschaftlichen Skalierbarkeit und bei den Forschungs- und Entwicklungskosten. Die heterogene Herkunft der gebrauchten Module erschwert Standardisierung und Zertifizierung. Zudem ist die genaue Restkapazitätsbewertung komplex – Technologien für Diagnostik und systemisches Batteriemanagement werden permanent weiterentwickelt. Während Pilot- und Early-Adopter-Projekte die technische Machbarkeit belegen, ist der Marktdurchbruch noch an attraktive Geschäftsmodelle und Infrastrukturimplementierungen gebunden.
Bedeutung für die internationale Elektromobilität und den chinesischen EV-Markt
Der Erfolg westlicher Vorreiter wie Voltfang sendet wichtige Impulse auch in Richtung China, wo die größte Zahl gebrauchter EV-Batterien anfällt. Chinesische Hersteller verfügen bereits über umfassende Kompetenz bei Batterierecycling und -zersetzung, meist mit dem Fokus auf Rohstoffrückgewinnung. Doch der wachsende Speicherbedarf im chinesischen Stromnetz und die massiv installierten Solarkapazitäten lassen die Zweitnutzung als stationäre Speicher zunehmend ökonomisch attraktiv erscheinen. Neue regulatorische Rahmenbedingungen und internationale Kooperationen könnten ähnliche Wertschöpfungsketten auch in Asien beschleunigen.
Die Rückkopplung zwischen europäischer Regulatorik, industriellen Pionierleistungen und chinesischen Hochskalierungs-Fähigkeiten könnte perspektivisch einen globalen Referenzmarkt für nachhaltiges Batterie-Second-Life schaffen. Skaleneffekte, technische Harmonisierung und ein globaler Sekundärrohstoffmarkt können die Wettbewerbsfähigkeit der Elektromobilität international weiter stärken.
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